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Mongolei 2007


Mongolei
Von Lutz und Sabine

Wenn Ihr die Erzählung "Der blaue Himmel" von Galsan Tschinag schon gelesen habt, könnt Ihr Euch eine Reise in die Mongolei eigentlich sparen.

Eigentlich, und andererseits überhaupt nicht.

Denn was der 63-jährige mongolische Schriftsteller über den nomadischen Alltag seiner Kindheit im Altai-Gebirge schreibt, klingt zunächst zu phantastisch, um wahr zu sein, und auf den zweiten Blick so altertümlich, dass man schlussfolgern muss: eine erstaunlicherweise bis ins frühe 20. Jahrhundert ü habende, äußerst traditionelle Lebensweise, die aber sicher heute längst verschwunden ist. Dann fahrt mal hin.

Im Fall keines anderen Reiselands waren für uns bisher dominante Sinneseindrücke Gerüche. Die Mongolei aber riecht.
Gerade die Jurten, in denen wir übernachteten, rochen. Nach Tier, nach Schaf, nach dem Filz aus Schafswolle, mit dem sie gegen die nächtliche Kälte isoliert werden.

Die Wüste war grün, blühte, erstrahlte in vielen Farben und roch betörend: nach Gewürzen, nach Kräutern, nach den durch sie ziehenden Herden von Pferden, Schafen, Ziegen, Yaks und Kamelen.

Das Essen und die Geträä rochen urtümlich nach ihren frischen handgemachten Zutaten. Für das Abendessen war im Camp "Chorch�k" bestellt worden, ein traditionelles Fleischgericht. Um die Mittagszeit sahen wir zwei Burschen auf dem Moped in die Wüste hinausfahren, auf eine knapp drei Kilometer weiter grasende Herde zu.
Ob wohl Wachablösung bei den Hirten anstand?
Eine Viertelstunde später kam das Moped zurück, der Bursche auf dem Sozius hatte nun etwas Großes, Unförmiges in der Hand.
Aus der Nähe war es zu unserer Überraschung ein Ziegenbock, dessen wild tretende Beine nach oben zeigten und vom Burschen auf dem Sozius festgehalten wurden. Hier also kamen die Chorch�k-Zutaten.

Für ein Chorch�k werden Steine über einem Feuer erhitzt und in einen großen Metalltrog gelegt, in Schichten abwechselnd mit dem gesamten Fleisch des Bocks, allen Knochen und allem Fett. In den Trog kommen auch ein wenig Wasser, sowie Zwiebeln, Knoblauch und Kräuter, und der Metalltrog wird rundum geschlossen, so dass das Fleisch halb gebraten, halb gedämpft wird. Gegessen wird Chorch�k je nach Gusto mit Beilagen, mancher Tourist greift auch verschämt vor allem nach den Beilagen.

Die traditionellen Getränke der Mongolei sind weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt: die nach 1000 Mal Stampfen vergorene Stutenmilch, die soviel Alkohol enthält wie Bier und die die Verdauung anregt wie sonst kaum etwas sowie der mongolische Tee, der zusammen mit Milch von der Kuh, von der Ziege, vom Schaf oder vom Kamel und etwas Salz gekocht wird. Man kann sich richtig daran gewöhnen, auch wenn man wohl wirklich lange im Land sein muss, um es zu lieben.

Was gibt es über das Land selbst zu sagen? Phantastische Landschaften wie im berühmten Tereldsch-Nationalpark mit skurrilen Felsformationen oder wie an den 180 Kilometer langen Sanddünen Chongoryn Els in der Gobi. Skurrile Plätze wie den "Wald" genannten Hain der Saxaul-Bäume, die mit enorm tiefen Wurzeln direkt dem Sand zu entsprießen scheinen oder die Flaming Cliffs, in denen vor 70 Jahren Dinosaurierüberreste von Weltrang gefunden wurden. Tiere in freier Wildbahn wie den allgegenwärtigen Erdhörnchen, den Geiern und Steinböcken in den "drei Schönheiten der Gobi" oder den bei einer Bahnfahrt alle 200 Meter auffliegenden Bussarden. Blumen und Blüten allenthalben, was gerade in der Wüste Gobi überrascht wie kaum etwas sonst: blau oder gelb strahlende Flecken im Nichts, blühender Schnittlauch fast überall und ausgetrocknete Wadis, die bereits am Folgetag wieder respektable Bäche sind.

Imposant ist natürlich auch die unvorstellbare Leere des Landes: ein Land viermal so groß wie Frankreich mit zwei Millionen Einwohnern, von denen die Hälfte in der Hauptstadt Ulaan Bataar lebt. Wobei ergänzt werden muss, dass Ulaan Bataar noch vor zehn Jahren nur halb so viele Einwohner hatte, was auf den massiven Transformationsprozess des Landes hinweist: die Mongolei ist heute ein Land, das massiv befürchtet, von seinen Nachbarn Russland und China einen Strukturwandel aufgezwungen zu bekommen, der seine nicht einmal 90 alte nationale Souveränität untergraben wird.

Von den beeindruckenden kulturellen Sehenswürdigkeiten des Landes wie dem Gandan-Kloster oder dem Palast des letzten Bogd Khan zu erzählen ist hier kein Platz.

Auch nicht, um über den faszinierenden Prozess der nationalen Identitätssuche zu berichten, der sich in aller Kürze mit "Dschingis Khan" zusammenfassen lässt.

Denn das am meisten herausstechende Merkmal einer Mongoleireise ist der nicht zu vermeidende Kontakt mit einer liebenswürdigen und authentischen Ursprünglichkeit der Nomadenvölker.

Die von Galsan Tschinag beschriebene traditionelle Lebensweise lässt sich gar nicht vermeiden unter den Lebensbedingungen der Nomaden.

Heute gibt es sie noch, wohl kaum verändert gegenüber den Zeiten der Kindheit von Tschinag. Wird es sie noch in zwanzig Jahren geben?
Hinter dieser Frage stehen große Fragezeichen.

Höchste Zeit, die Mongolei kennen zu lernen.


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