Rund um die Reise Reiseberichte Transsib





Reisebericht Transsib
von Ines Busch


Was für ein Plan.
Mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau bis Peking, mehr als 8.000 Bahnkilometer durch 10 Zeitzonen und drei Länder zu reisen.
Am Anfang dachte ich, wir müssen verrückt sein.
Auch meine Freunde sahen mich wechselweise be- und entgeistert an, als ich von unserem Plan, den Sommer auf Schienen zu verbringen, erzählte.

Kann denn eine Bahnreise über 8.000 Kilometer spannend sein?
Ist es nicht sterbenslangweilig, tagein- tagaus aus dem Fenster zu sehen und nichts als vorbeiziehende Landschaft zu betrachten?
Meine Freunde fragten mich, ob wir nicht auch Camping in Schweden oder Strandurlaub in Italien machen könnten, wie jeder vernünftige Mensch?
Nein, ich wollte partout nicht vernünftig sein.
Zudem galt meine Passion seit jeher dem langsamen Reisen und dafür war die Bahn das ideale Reisemittel.
Sollten die anderen doch denken, dass Reden, Lesen, aus dem Fenster sehen und Essen langweilig sei und es mehr externer Reize bedürfe, um glück-lich zu sein.
Ich war fest davon überzeugt, mir dieses Zugabenteuer nicht vermiesen zu lassen.
Gesagt, getan. Als ersten Schritt habe ich mir so ziemlich alles an Reiseliteratur besorgt, was zum Thema Transsib auf dem Markt ist.
Dabei fiel mir bald auf, dass man sich zwischen 2 grundlegend verschiedenen Reisearten entscheiden muss.
Entweder die durchorganisierte Reise im Touristenson-derzug, oder die Reise im Alltagszug mit Tuchfühlung zu den Einheimischen.

Mir war klar, dass unterwegs Menschen kennen lernen wollte und daher nur der Regelzug für mich in Frage käme.
Daher benötigte ich ein Visum samt Zugtickets für die Strecke der Trans-Mongolischen Eisenbahn.
Da die Beantragung des Visas und die Buchung diverser Tickets plus Unterkünfte ein zeitaufwendiges Unternehmen schien, suchte ich nach dem geeigneten Reisebüro, das mir diese Vorbereitungen abnehmen könnte.
Unter einer Vielzahl von Anbietern, von denen Lernidee der bekannteste am deutschen Markt ist, entschieden mein Freund und ich uns für den Travel-Servie-Asia, der bereits für Gruppen ab 2 Personen individuelle Reisepakete schnürt und Übernachtungen bei Gastfamilien vor Ort organisiert.

Und so begann die Reise zunächst mit dem Flugzeug, von Frankfurt nach Moskau.
Ganz wie zu sozialistischen Zeiten verbrachten wir dort die ersten 2 Stunden erst einmal in einer Warteschlange für die Pass- und Visakontrolle.
Nachdem man die verschiedenen Phasen von Wut, Verzweiflung und Resignation hinter sich hatte, war man dem russischen Lebensgefühl bereits auf dem Flughafen ein gutes Stück näher gekommen.
Abholung und Bezug des rosafarbenen Gäste-, sprich Kinderzimmers verlief dafür freundlich und planmäßig.
Moskau hatte sich seit meinem letzten Besuch im Jahr 1978 gewaltig verändert.
Nichts war übrig von der einschüchternden sozialistischen Aura, die einem weder optisch noch sprachlich Anknüpfungspunkte an das im Westen Bekannte gab.

Im Jahr 2005 schmeckt die Suppe nach Suppe und nicht nach gechlortem Wasser und unter dem Lampen-schirm verstecken sich keine Abhörwanzen mehr.
Von MacDonalds bis Gucci bietet das heutige Moskau alles, was das moderne Konsumherz begehrt.

Die Frage ist nur, wer sich dies angesichts der hohen Preise, die selbst hartgesottene Städter aus dem Westen aufhorchen lassen, in der post-sozialistischen Ära leisten kann.

Moskau: Roter Platz mit Basilius-Kathedrale

Moskau: Roter Platz mit Basilius-Kathedrale

Das Neujungfrauenkloster in Moskau

Das Neujungfrauenkloster in Moskau

Nach 2 Tagen Moskau sind wir vom Charme Moskaus eingenommen und wollen die Weltmetropole mit ihren prachtvoll goldenen, russisch-orthodoxen Klöstern, ihrer phantastischen U-Bahn und dem legendären Kaufhaus GUM nur ungern wieder verlas-sen.

Der �Baikal-Express� war die darauffolgen-den 3 Tage und 4 Nächte unsere Herberge und brachte uns sicher nach Irkutsk, unserem nächsten Etappenziel.
Wir hatten das große Los gezogen, denn unser Zug mit der Nr. 10 wird von Transsib-Reisenden seit vielen Jahren als der beste und schönste auf der Strecke durch die sibirische Taiga be-wertet.
Am Eingang des Zuges surrt der Samowar im Dauerbetrieb und kocht uns Wasser für Tee, Kaffee und Suppe.

Restaurantwagen des Baikalexpress

Restaurantwagen des Baikalexpress

Unser Abteil wartet mit buntem Keramikgeschirr, Keksen und Instant-Kaffee auf.
Die Provosdniza (Wagenschaffnerin) ist - ganz in der Farbe des Zuges - in ein adrettes blaues Kostüm gewandet und wacht über unser Abteil, sobald wir uns auf den Unterwegsbahnhöfen zu einem Bummel auf den Bahnsteig begeben.
Unsere mühsam erlernten russischen Wortbrocken reichen gerade, um den Hausfrauen auf dem Bahnsteig ihre selbstgebackenen Teigtaschen sowie Himbeeren und Gurken aus dem eigenen Garten abzukaufen.

Bei Ankunft in Irkutsk erwartet uns ein fließend Deutsch sprechender Führer, der uns nicht nur sicher in den abenteuerlichen Hinterhof des Wohnhauses unserer Gastfa-milie führt, sondern uns auch das historische Irkutsk zeigt.

Holzhausromantik in Irkutsk

Holzhausromantik in Irkutsk

Das Paris Sibiriens, wie Irkutsk früher genannt wurde, dient uns als Sprungbrett für einen Aufenthalt am Baikalsee.
Die Stadt am Ufer des Flusses Angara war einst wichtiger Handelsplatz für sibirische Pelze, chinesischen Tee und Seide und verfügt noch heute über herrliche alte Holzhäuser, die allerdings in sehr desolatem Zustand sind.

Von Irkutsk aus fahren wir mit dem Tragflügelboot zu dem Dorf Bolshoie Koty, das für drei kurze Tage unser Paradies auf Erden sein wird.
Zu erreichen entweder per Schiff oder zu Fuß, hat es viel seiner Ursprünglichkeit bewahrt.
Die überaus herzlichen Gastgeber geben uns den Eindruck, ein Wochenende bei Freunden zu verbringen.
In der Zeit zurückversetzt verbringen wir idyllische Tage auf dem Land, mit Klohäuschen im Garten, samstäglichen Banja-Gang (Sauna) für die ganze Familie und frei grasenden Pferden.

Das sommerliche Klima und die lebendige und artenreiche Flora und Fauna verdrängen Gedanken an sibirischen Permafrostboden und zweistellige Minusgrade in den restlichen 10 Monaten des Jahres.

Mehr spektakuläre Natur erwartet uns auf unserer nächsten Station, die wir nach 2-tägiger Zugfahrt erreichen.
Ulan-Bator und der nahe gelegene Nationalpark Terelj in der Mongolei sind unser Ziel.
Von Ulan-Bator, einer eigenwilligen Hauptstadt mit deutschen Brauereien (Dschingis-Bier und Khan-Bräu) und Biergärten, gelangen wir mittels Jeep in unser Jurtencamp.

Ulan Bator: Jurte trifft Gegenwart

Ulan Bator: Jurte trifft Gegenwart

Jurtencamp im mongolischen Nationalpark Terelj

Jurtencamp im mongolischen Nationalpark Terelj

Es wird geleitet von einem mongolischen Paar, das in Leipzig Betriebswirtschaftslehre studiert hat.
Kein Wunder, dass uns gleich bei Ankunft im Camp eine ostdeutsche Reisegruppe be-gegnet, die von ihrem Ausflug in die Wüste Gobi schwärmt.

Wir haben weniger ambitio-nierte Ziele und erkunden in den nächsten Tagen zu Fuß und auf dem Rücken der berühmten Mongolenpferde den Nationalpark.
Da es keine topografische Karte des Parks gibt, geraten wir bisweilen ziemlich ins Grübeln, finden zum Glück aber immer wieder vor Anbruch der Dunkelheit zurück in unser Camp.
Wir erklären den Yak zu unserem Lieblingstier und den Buttertee, den wir bei einer Nomadenfamilie trinken, zu einem interessanten Getränk.

Die Zeit verfliegt wie im Flug und ehe wir uns versehen, sitzen wir im Zug nach Peking und tuckern an der großen Mauer vorbei gen Osten.
Die Passagiere drücken sich die Nasen an den � wegen der Klimaanlage - geschlossenen Fenstern platt und die Auslöser der Kameras klicken im Takt.
Der Speisewagen ist nicht so reich verziert, wie das mongolische Pendant, zeichnet sich aber durch ein effizientes Serviceteam aus.
Eine deutsche Reisegruppe erhält gerade eine Einführung in chinesische Geschichte und Kultur, als wir den Waggon betreten.
Bei einem unserer Versuche, im Speisewagen zu essen, scheiterten wir am richtigen Timing.
Die Zeit im Griff zu behalten war eine der Herausforderungen der Reise, da im Zug auf der gesamten Fahrt bis Peking Moskauer Zeit galt, während man draußen munter Zeitzone um Zeitzone durchschritt.

Die Große Chinesische Mauer im Dunst aus dem Zug gesehen

Die Große Chinesische Mauer im Dunst aus dem Zug gesehen

Peking schließlich war der Höhepunkt der Reise.
Alles zuvor Dagewesene wurde in Peking an Größe, Lebendigkeit und Buntheit übertroffen.
Eine Stadt, die täglich wächst, deren Infrastruktur explodiert, und deren Altstadt immer größeren und höheren Wohn- und Bürohäusern Platz machen muss, um all die zuziehenden Menschen unterzubringen.
Eine Stadt, die die Zeit bis zu den Olympischen Spielen im Jahr 2008 auf dem Tienanmen-Platz auf einer digitalen Anzeigentafel rückwärts zählt, alle Sehenswürdigkeiten generalüberholt und in der Chinesen eifrig Englisch lernen, um mit den Gästen der Olympiade aus aller Welt reden zu können.
Peking, das im Fernsehen deutsche Fußballspiele Live sendet, das seine Bürger beim Surfen im Internet kontrolliert und das die breiten Fahrradspuren zu Gunsten neuer Autospuren verdrängt.
Peking, ein 14. Mio. großer Moloch, der mit aller Macht gen Westen drängt und uns nachhaltig beeindruckt hat.

Chinesische Touristin und Autorin im Gewand der Chinesischen Kaiserin

Chinesische Touristin und Autorin im Gewand der Chinesischen Kaiserin

Ausflugsboot im Sommerpalast bei Peking

Ausflugsboot im Sommerpalast bei Peking

So spektakulär unsere Reise verlief, so schnell endete sie.
Nach 9 Stunden Flugzeit kamen wir in Frankfurt Main an und wurden nach 3 � Wochen Bahnfahrt quasi diretissimo ins Jetzt und Hier zurückversetzt.

Das Abenteuer war vollbracht.
Und: es war keine Minute langweilig!

Das klassische Russland-Mitbringsel: die Matrioschka

Das klassische Russland-Mitbringsel: die Matrioschka

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